Parnehnen                       

Krasnij Jar 
Früher ein deutsches Dorf in Ostpreußen Heute ein russisches Dorf in der Oblast Kaliningrad
Berichte
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Bericht 2003

 

Bei allen Helferinnen und Helfern möchte ich mich für die materielle, finanzielle und die Schokoladen-Unterstützung für unsere Arbeit in Krasnij Jar/Parnehnen in Ostpreußen bedanken und gleichzeitig in Bild und Wort einige Eindrücke der jüngsten Fahrt im Februar dieses Jahres vermitteln.

Besonders den Angehörigen von Frau Kl, die ich leider nicht kennen gelernt habe, möchte ich berichten, wie tief betroffen die Schwestern Olga, Sweta und Jenia über den Tod ihrer jahrelangen „Sponsorin“ waren. Besonders die stets fröhliche Olga, die Frau Kl. bei einem Besuch in Nienburg kennenlernte, wurde ganz still und versank in Erinnerungen. Dabei war die Trauer über den Verlust einer langjährigen Freundin deutlich zu spüren.

Sowohl Feldscherin  (Schwester) Olga von Istrowka/Schaberau als auch  die Feldscherinnen (das ist die korrekte Berufsbezeichnung) der Medikalpunkte Krasnij Jar/Parnehnen, Sweta und von Bolschoi Gorki/Groß Weißensee, Jenia bedanken sich für die finanzielle  Hilfe.

 

Da die Lebenshaltungskosten schon wieder gestiegen sind, die Löhne aber nicht erhöht wurden,  weiß ich zumindest von Olga und Sweta, dass sie sehr sparsam leben müssen, weil sie durch die Ausbildung ihrer Töchter (Schulgeld und Internatsunterbringung) finanziell sehr stark belastet sind. Es muss nicht erwähnt werden, dass es den meisten  Bewohnern im Gebiet ähnlich ergeht.Bei meinem letzten Besuch in Krasnij Jar, also Parnehnen und den dazu gehörigen Dörfern galt ein Teil unserer Arbeit wie schon seit Jahren, dem Einkauf von Lebensmitteln, Seife,  Medikamenten und allem, was in den Sozial- bezw. Gesundheitsstationen gebraucht wird. Dazu fahren wir in einen Großmarkt, in dem es wie in Deutschland alles zu kaufen gibt, fast alles bedeutend billiger. Da Olga Chefin aller 15 Medikalstationen ist, haben wir uns angewöhnt,  für alle Stationen Einmal-Spritzen und Einmal-Handschuhe zu kaufen.

Feldscherin Olga beim Besuch der Kunstklasse vom Kinder- und Jugendzentrum in Gwardejsk In der Oblast Kaliningrad gibt es viele Aids-Erkrankungen und Tuberkulose, so dass die Feldscherinnen stark gefährdet sind, sich anzustecken.

Häufig erfahren die Feldscherinnen bei ihrer Arbeit von besonderen Notsituationen in den Familien.

Sweta wird also immer mit einer riesigen Fuhre Lebensmittel ausgestattet, von denen sie im Bedarfsfall bedürftigen Familien aus der größten Not helfen kann. Aber auch Arbeiten für das Gemeinwohl bezahlt Sweta teilweise in Naturalien.

 

Der Schuster, der einige Dorfjungen in seinem Handwerk anlernt, bekommt dafür etwa Mehl und Zucker, die Mädchen, die beim Heilkräuter-Sammeln helfen, verdienen sich Frühstücksflocken und Milch von Swetas Kuh.

An diesen Beispielen wird deutlich, in welche Richtung sich die Arbeit in Dorf, Schule, Kinderheim und anderen Stellen immer stärker entwickelt.

Zwar bringen wir noch immer in geringem Umfang Kleidung und Schuhe nach Ostpreußen. Aber viel mehr Gewicht legen wir auf die Förderung von Beschäftigung und Bildung sowie Ausbildung.

Das fängt bei den Kuscheltieren, Bilder- und Sachbüchern an, betrifft die Ausstattung mit Arbeitsmaterialien und Werkzeug (Wolle, Nadeln, Stoff, Nähmaschinen, Hämmer, Bohrmaschinen u.v.a.m.).Werkzeug und Material für mehrere Schusterjungen in Familien und Kinderheimen soll beispielsweise die Möglichkeit zur verlängerten Lebensdauer der Schuhe geben, (und den Sockenverschleiß eindämmen). Dadurch kann teilweise die geringere Versorgung mit Schuhen durch humanitäre Hilfe ausgeglichen werden. Andererseits bietet sich bei Gelingen dieser Maßnahme auch für einige Jugendliche eine Ausbildungs- und Verdienstmöglichkeit an. Einer dieser Schusterjungen wird seine Sommerferien bei uns verleben und bei Freunden eine zusätzliche Kurzausbildung erhalten.

Diesmal haben wir große Mengen Stoff gekauft. Eine Frau aus dem Dorf bekommt die Möglichkeit zu einer Beschäftigung, die ihr bei dem Versuch hilft, vom Alkohol  loszukommen; außerdem erhält sie von Sweta Geld bezw. Naturalien dafür, dass sie Schürzen und Unterhosen für das Kinderheim näht. Einen großen Teil der benötigten Unterwäsche werden die Kinder selbst nähen, eine willkommene Bereicherung des Handarbeitsunterrichtes.

Schuster Kola zeigt mir sein trauriges Werkzeug und freut sich über die neuen Geräte aus Deutschland.

Einige junge Frauen bekommen von mir Material und stricken oder häkeln gegen Bezahlung für mich, die großen Mengen gespendeter Wolle werden im Dorf zum Eigenverbrauch verschenkt.

Seit wir bei unseren Einkaufsorgien Saatgut in Massen besorgen, haben auch die armen Familien Gemüsegärten. Sie gewinnen dadurch Lebensmittelvorräte für den Winter. Aber noch viel wichtiger ist, dass sie eine Arbeit haben und weniger dem Alkohol ausgeliefert sind.

 

Der neue Hausmeister in der Schule, Sascha, bekommt von Sweta ein Honorar für seine Arbeit. Sein Werkzeug (ein selbstgebauter Holzhammer, ein kurzer Rest Stechbeitel und eine klapprige Rohrzange) wurde dank der Spenden aus der Hoyaer Umgebung zu einer ansehnlichen Ausstattung aufgestockt. Sascha  murmelte glücklich etwas von Weihnachten.

Nun zieht er mit einer Horde Jungen aus dem Kinderheim durch die Schulräume und repariert mit ihnen zusammen die lebensgefährlichen Stühle, Betten und Tische.

Besonders überzeugend ist die positive Entwicklung auf dem Gebiet der Computerei.

Schule und Kinderheim bekamen von uns nach und nach 4 Computer, Sweta bezahlt einen fähigen Computer- Lehrer, das ist Computer-Andrej, der inzwischen einen Internet – Anschluß für die Schule und sich privat einrichten lassen hat. Das bedeutet, dass minuten,- na ja stundenschnelle Post hin und her wandert zu Kosten eines Ortsgesprächs.

 

Schwester Sweta in ihrem Behandlungszimmer

Die ersten beiden Feldscherinnen haben nun einen Computer und lernen in der Schule mit. Und auch unser superguter Dolmetscher-Andrej hat einen Computer mit e-mail Anschluß. Große Hilfe  versprechen wir uns durch das Sammeln und Anbauen von Heilkräutern, die seit fast 2 Jahren durch unsere Anregung verwendet werden.

Wir beschafften russische Fachbücher, aus denen Sweta ihren Kolleginnen berichtete und ihnen Bilder der heimischen, allen bekannten Pflanzen mit Heilwirkung zeigte. Die ersten Erfahrungen mit Holundersaft, Brennesseltee und Ringelblumenoel wurden gemacht und weitergegeben.

Sweta schickt Kinder und junge Mädchen zum Sammeln von Löwenzahn und Kamille, zeigt ihnen, wie die Kräuter getrocknet werden, während Schwester Olga in ihrem Dorf eine Kindergruppe in 1. Hilfe und Kräuterkunde unterrichtet. Demnächst sollen spezielle Kräutersamen für Krasnij Jar aus dem Botanischen Garten in Kaliningrad beschafft werden.

Dazu muß man wissen, dass die meisten Bewohner des heutigen Ostpreußens zum großen Teil mehrmals aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Ihre Häuser, Möbel, Tiere Gärten und Gräber haben sie dabei verloren. Aber auch Kultur, Religion und beispielsweise das Wissen um die Heilwirkung  der Natur sind im wahrsten Sinne auf der Strecke geblieben. Nach anfänglicher Skepsis der Dorfleute erhoffe ich nun gerade wegen der oft unerschwinglichen Medikamente Erleichterung bei einfachen Erkrankungen und ein neues Hobby für die Menschen.

Sie sehen also, es gibt ungeahnt viele Möglichkeiten, etwas Sinnvolles zu tun.

Mit Kindern zusammen haben Sweta und ich mit meinem alten Dampfentsafter Holunder und Äpfel entsaftet. Von dem Saft schenkt Sweta Ptienten mit Husten oder Grippe ein Glas. Wir könnten dringend einen vernünftigen Dampfentsafter gebrauchen, mein altes Aluminiumstück in Krasnij Jar (Parnehen) hat nämlich ein Loch zuviel.

Nun genug und Dank für ermutigende Unterstützung und freundlichen Worte.