Parnehnen                       

Krasnij Jar 
Früher ein deutsches Dorf in Ostpreußen Heute ein russisches Dorf in der Oblast Kaliningrad
Geschichten
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H - wie Hund


Auszug aus meinem russischen Tagebuch


22 Apr. 2009 23:08
Tscheck  
und

05 May. 2009 11:13

Tscheck, die ganze Geschichte

 


Bei meinem letzten Besuch im russischen Ostpreußen erlebte ich viel Schönes und noch mehr Trauriges bei den Menschen, die teilweise sehr arm sind.
Aber auch Tiere habe ich wiedergesehen oder neu kennengelernt; hier die Geschichte von Tscheck.

Eldo und ich haben einen neuen Freund gewonnen.
Er wohnt in einem halb zerfallenen Stallanbau und seine Kette erlaubt ihm etwa 5 Meter Auslauf. Durch die fehlenden Latten im Zaun des ehemaligen Gärtchens kann er dort hinein schlüpfen, dort hinterlässt er alles, was er in dem anderen Teil seine Reiches nicht haben möchte. Anfänglich hat dieser Hund mich und besonders Eldo böse verbellt, aber eigentlich bettelte er um Frieden und Zuneigung. Das Futter aus meiner Hand nahm er so gierig, daß er die Finger beinahe mit gefressen hätte, aber das war nur ein Versehen in seiner Aufregung und Freude. Nun, wenn ich die Haustür öffne, steht er aufmerksam wartend und wedelt mir zu: Komm doch rüber und streichle mich. Auch Eldo hat sich drüben vorgestellt, doch der neue Freund ist so begeistert und wild, daß ich immer aufpasse, ob Eldo nicht die Geduld verliert.
Ich fragte meinen Hauswirt nach dem Namen des Hundes, und er antwortete mit einem Nuscheln, denn es ist ihm immer noch etwas peinlich, mit einer deutschen Frau zu sprechen. Beim 2. Versuch verstand ich: „Tscheck“ und wiederholte : „Tscheck?“ Offensichtlich hatte ich richtig verstanden, überlegte, und als mir eine Idee kam, fragte ich: „wolk?“ und: „Jack London?“ Nun hatte Sascha ein Problem, und nach kurzem Überlegen bestätigte er: „Tscheck London!“




Hier seht Ihr meinen Eldo, der durch den Zaun nach Tscheck schaut

Tscheck

gehört einem der Arbeiter von Nachbar – Andrej, offensichtlich dem Kuh- oder dem Schafhirten, und die Tatsache, daß er ihn angebunden lässt, statt ihn mitzunehmen, lässt vermuten, daß Tschek eher kein guter Schafhüter ist.
Hoffen wir das Beste für seine Gesundheit, Schafräuber werden hier erschossen.



Inzwischen weiß ich, daß Tscheck angebunden werden muß, damit er nicht fortläuft zu seiner alten Heimat, dem Haus, in dem er nichts zufressen bekam, bevor sein Besitzer seine Arbeit bei meinem Nachbarn aufnahm gegen Essen, ein Bett und ein bißchen Schnaps am Abend und - gegen Futter für seinen Hund.

 


Sobald er mich an der HAustür sieht, steht er da, wedelt mir seine stummen Bitten zu und fragt:
Kommst Du wieder zu mir? Du mußt mir auch nicht unbedingt Essen mitbringen, aber schön wär´s!
By ingaz, shot with V-LUX 1 at 2009-05-03

Immer, wenn ich Tscheck besuchte, lag irgendwo ein leerer Plastikeimer, den ich schließlich am Zaun festband und mit Wasser füllte, denn es war warm in der strahlenden Frühlingssonne. Meine Bitte an die Arbeiter, ihm immer Wasser zu geben, brachte Erfolg: einer der anderen Arbeiter nahm den Eimer, der wieder irgendwo lag und holte Wasser. Meinen Vorschlag, den Eimer wieder anzubinden, fanden sie gut.
Sie sind freundliche Menschen, die mir gern eine kleine Freude bereiten, und sie wissen: bald bin ich wieder weg.










Manchmal geschehen kleine Wunder, ich hoffe auch für Tscheck.
Mein NAchbar, ein gutmütiger aber sparsamer Mensch hat etwa 1500 Schafe. Er verkauft sie an Leute mit (für Rußland ) viel Geld, arme Leute müssen aus dem Magazin gefrorenes Fleisch kaufen, wenn sie sich das mal leisten können.

Während meiner Zeit dort riefen bei Andrej mehrmals Kunden an, die von ihm 2 bis 5 geschlachtete Schafe haben wollten.
Obwohl er genug Schafe, auch Böcke hat, obwohl er keiner Gelegenheit zum Geld verdienen aus dem Weg geht, jetzt schlachtet er nicht. Nach dem langen Winter haben die Schafe endlich wieder Gras und Sonne; es würde ihm leid tun, dieses Glück für eins seiner Tiere vorzeitig zu beenden. Also schlägt er seinen Kunden die Wünsche ab; sie müssen warten.

Obwohl ich am ersten Tag mit Tscheck Freundschaft schließen konnte, wird Andrej von ihm verbellt und wütend angegangen, wenn er an ihm vorbei zu seinem Haus gehen will.
Aber Andrej weiß ja, wie kurz die Kette ist und stapft einfach los und droht, wie all seinen Hunden auch Tscheck aus Spaß mit der Faust. Ein bißchen neidisch ist aber Andrej doch, daß ich kein Problem mit dem Hund habe. Als er eines Tages also wieder an Tscheck vorbeimarschierte, hatte dieser es geschafft, den schweren Sägebock, an dem das Ende der Kette befestigt ist, einen halben Meter weiter nach vorn zu ziehen, und plötzlich sprang Tscheck dicht an Andrejs Beinen hoch. Der machte einen Satz fast in die Hausmauer hinein, und wir beide mußten herzhaft lachen.
Dann, mit einem verschämten Lächeln gestand mir Andrej:" wenn ich wieder schlachte, dann bekommt er von mir Schafspansen, und dann wird er mein Freund!"
Das ist das Wunder, das hoffentlich Tscheck beschert ist, denn wer Andrej´s Freund ist, hat Glück.

Ich bin auch sein Freund, daher weiß ich das.


By ingaz, shot withat 2009-05-05


(und seine Frau ist eine nette NAchbarin)

 

Dies ist ein Tagebucheintrag von meinem nächsten Aufenthalt in Parnehnen

 

und Tschek?


22 Jun. 2009 10:25


Am nächsten Morgen stürmte ich die Wohnung, um Fenster zu öffnen und den Kachelofen anzuwerfen, denn es roch ein bißchen muffig und war kalt und klamm.
Dannn fiel mir auf, daß Tschek mich nicht angehimmeelt hatte wie sonst immer. Ich ging nachsehen, - er war nicht an seinem Platz, und dunkle Ahnungen befielen mich.
Darüber muß ich in Ruhe berichten.

Und Tschek!!!


23 Jun. 2009 21:04


Am 5. Mai habe ich hier die Geschichte von Tschek aufgeschrieben, da könnt Ihr ja nochmal nachlesen.
Und jetzt, Ihr wisst es schon, habe ich ihn nicht an seinem Platz gefunden und mir schon Sorgen gemacht.

 Habe ich auch schon erwähnt, daß bei Nachbar-Andrej ganz viele, überwiegend kleine Hunde auf dem Hof rumlaufen und eine halbgroße, zickige Tochter der alten, fast weißen Schäferhündin, die mindestens 13 war, manchmal behauptete Andrej aber auch, sie sei 20 .

Hier wird Eldo von all den Hunden aus Andrejs Hof begrüßt, (dies hier ist nur die Hälfte des Rudels), doch seine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Huskyrüden, der hier zugelaufen war und eine Zeitlang in diesem Stallteil frei wohnen durfte und auch Futter bekam, bis Andrej den Besitzer des Huskys gefunden hatte.

Das war aber vor Tschecks Zeit.

Dina war Andrejs Stolz, und obwohl er immer sagte, sie sei alt, und er würde sie im Wald erschießen, hat er sie bis zu ihrem Ende immer beim Schlachten das Schafblut trinken lassen, das ihr seiner Meinung nach geholfen hat, so alt zu werden.

Hier lernt Dina meinen Eldo kennen, und obwohl Andrej behauptet hatte , sie würde ihn in der Luft zerreißen, .....

Ihr seht, alles ist gut. (war gut, denn auch dies Bild ist von einem früheren Besuch.)

 

Auch die Welpen von Dinas Tochter begrüßten mich nun an meinem 2. Tag hier im Juni2009, und etwa 15 Katzen hockten vor der Haustür, als ich Andrejs Mutter begrüßen wollte, um ihr ein Stück von dem frischen Brot aus meinem Brotbackofen zu bringen, das sie so liebt
(denn kleine Geschenke……)
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich eine Bewegung an der Hofeinfahrt: ich entdeckte einen Kettenhund, einen großen, hellen, der gar nicht bellte, obwohl er wie wild herumsprang; er wedelte und wand sich vor Freude. Ihr wißt es schon, aber ich war einen Augenblick lang verdutzt.
Nun war mir´s wieder eingefallen: Andrej hatte damals gesagt:" wenn ich wieder schlachte, dann bekommt er von mir Schafspansen, und dann wird er mein Freund!"
Ich drehte mich zu Andrej um und sagte: „einen guten Hund hast Du da!“, und Andrej antwortete: „Ja, ein guter Hund“
Der Besitzer von Tscheck London hatte keine Lust mehr gehabt, Arbeiter bei Andrej zu sein, und wollte seinen Hund im Wald erschießen. Aber zum Glück ist Andrej nicht nur mein Freund sondern nun auch der von Tschek. An seiner Hütte lag ein Schafskopf.


Die Begrüßung zwischen Tscheck und mir verlief recht stürmisch, denn wenn auch Andrej nun sein Freund ist, geschmust, gekuschelt und gestreichelt wird hier nicht. Mein frisch gewaschener Pullover erfuhr also, was Liebe ist und kam in die von Freund Andrej gerade frisch reparierte Waschmaschine.

Aber der Pullover war nur ein kleines Problem.

Viel größer war meine Freude, darüber, daß Tscheck nun wirklich Andrejs Freund geworden war.

 


 

Nun Vera, damit Ihr sie kennenlernt

August 2010

 

Nun muß ich Euch von Vera erzählen, der Muter von Nachbar-Andrej.

Sie ist eine fleißige, warmherzige  Frau mit Haaren auf den Zähnen.

Sie ist freundlich und hilfsbereit bei allen Menschen, die auch fleißig arbeiten, um ihre Familie ernähren zu können. Für Faulenzer und Trinker verschließt sie ihr Herz und kann so richtig giftig sein.

Als ich sie vor Tschecks Umzug auf ihren Hof fragte, ob sie ihn füttert, wurde sie ungeduldig: nein, das sei nicht ihrer. Ich meinte, der tut mir so leid. Und nun lernte ich eine neue Bedeutung des russischen Wortes für „schade, tut mir leid – jalka“.

Jalka sind die kleinen Schweine, die sie mit der Flasche aufzieht, der fremde Hund ist nicht jalka.

Wenn nämlich die kleinen Schweine sterben, ist es verschwendete Nahrung für später, der fremde Hund ist einem Faulenzer vergleichbar, er nutzt niemandem . Natürlich weiß Vera, dass die Arbeiter, die von ihr mit Essen versorgt werden mehr Essen brauchen, weil Ssidoi, Tschek, ein kleiner Hütehund und eine Katze davon mit versorgt werden, aber die füttert SIE nicht.

Oh, mein guter Tscheck

29. Aug. 2010

 

Langwierige und kostspielige Reparaturen am Wohnmobil und ein gebrochener Fuß erlaubten mir erst im Sommer 2010 die nächste Reise nach Parnehnen.

Nach der Ankunft begrüßte ich die Nachbarn zur Rechten und zur Linken, Sascha, der Hausbesitzer grinste mich erfreut an, als wir uns trafen, und dann machte ich mich auf den Weg zu Nachbar-Andrej, um nach meiner Telefonverbindung zu fragen.

Vera saß auf dem Hof vor ihrer kleinen Privaten Wellblechbastelbude, in der sie Wolle, Spinnrad, getrocknete Sonnenblumen- und Kürbiskerne, Flickwäsche und andere Schätze verwahrt.

Die uralte Handkurbelnähmaschine hatte sie angeworfen, um aus alten Stoffresten Kopftücher gegen die allzu heiße Sonne zu nähen. Fast immer erfahre ich von interessante Dinge, beispielsweise warum sie den Maiskolben  alte Strümpfe anzieht und den Sonnenblumen mit alten Stofffetzen die Gesichter zubindet, damit die Vögel nicht alle Kerne stibitzen.

Ja, und dann begrüße ich Tscheck, der schon lange vor seiner Hütte rumhampelt, weil er mich erspäht oder erschnuppert hat. Und Vera humpelt mir ein Stück hinterher, schüttelt den Kopf und freut sich darüber, wie Tscheck und ich uns über das Wiedersehen freuen. Das muß für sie so ähnlich sein, als wenn ich sehe, wie Kinder mit einem Delphin spielen, das ist ihr genau so fremd aber schön anzusehen.

 Und bei ihrem Grinsen sieht man nun gar nicht mehr die Haare auf den Zähnen.

Ein LederHalsband für Tscheck

 

Immer noch hat der arme Kerl das Ende seiner Kette um den Hals gewickelt, und als ich versuche, den Finger zwischen Kette und Hals zu schieben, verstehe ich nicht, wieso mein Freund nicht längst ertickt ist. Fix hole ich das stabile lederne Halsband, das ich für ihn mitgebracht habe und gestikuliere Vera den nahenden Erstickungstod des Hundes, der zwar nicht „ihr Freund und nicht jalka“ ist, aber den sie vielleicht in Verbindung mit mir doch ins Herz geschlossen hat

.Das Wedeln mit dem Halsband macht meinen Wunsch sehr deutlich , und im Nullkommanix steht Jascha parat, der Sohn von Andrej

. Zwei Schraubenschlüssel muß er holen, um die Schrauben-Mutter zwischen den Kettengliedern zu lösen, und als die Kette endgültig herunter fällt, entringt sich mehrmaliges tiefes Röcheln der Kehle von Tscheck, sodaß ich schon fürchte, er könnte noch nachträglich an der ungewohnten Sauerstoffzufuhr sterben. Schnell würgt ihm Jascha das neue Halsband über den Kopf, ein Test mit seinem- , vorsichtshalber mit meinem Finger auch– ja passt.Und schon ist Jascha wieder zu seiner Arbeit entschwunden. Von Andrej erfahre ich später, ein Arbeiter hatte Tscheck die Kette „angeschraubt“  und den mag Tscheck gar nicht leiden.Einige Tage später sehe ich einen fremden Mann mit Tscheck an der Kette über den Hof toben. Er ist ein kräftiger Mann, der sich die Kette um die Hand gewickelt hat und mit beiden Armen  dran hängt. Aber Tscheck zieht ihn wie ein Spielzeug hinter sich her, und im Abstand folgt Andrej und beobachtet die Szene.Wieder packt mich die Angst, doch später ist Tscheck wieder an seinem Platz, und  Andrej erklärt mir auf meine Frage etwas schwer Verständliches, aber es war anscheinend ein Test, was Tscheck mit Schafen tut. Er hat ihnen  nichts getan, aber welches der Sinn war erfahre ich vielleicht erst bei meinem nächsten Besuch.